top of page

Wie wir uns mit wenigen Worten selbst verraten

  • eberhardkuom
  • vor 3 Stunden
  • 3 Min. Lesezeit

Es gibt Sätze, die Führungskräfte sagen – oft im Vorbeigehen, gern vor dem Aufzug, manchmal auch wie ein Stoßgebet Richtung Decke –, und die mehr über sie verraten als jede 360°-Beurteilung. Oder anders gesagt: „Man kann nicht nicht führen – selbst wenn man glaubt, man tue es.“ - Und wie immer liegt die Wahrheit nicht im Gesagten, sondern in dem, was wir mit-meinen, während wir etwas sagen, das wir nicht so gemeint haben.


ree

Heute geht es um jene unscheinbaren Signatur-Sätze, die im Führungsalltag umherschwirren wie freundliche Bienen – bis man merkt, dass es eigentlich Wespen sind.


1. „Ich habe doch nur eine Frage.“

Das ist der Lieblingssatz vieler Führungskräfte. Er klingt harmlos, beinahe höflich. In Wirklichkeit bedeutet er oft: „Ich habe eine Entscheidung getroffen, will aber, dass du denkst, du hättest mitgedacht.“ Führungskräfte wissen, dass ihre Fragen oft wie Kritik oder Kontrolle wirken.


Der Satz soll Nähe herstellen, schafft aber Distanz. Die „Frage“ ist selten eine Frage, sondern eine verkleidete Anweisung. Übersetzt: Die Illusion von Beteiligung entlastet das Führungsgewissen.


2. „Eigentlich ist doch alles klar.“

Ein Satz voller Hoffnung – und leider voller Selbsttäuschung. Denn wenn wirklich alles klar wäre, müsste man es nicht sagen. Übersetzt bedeutet dieser Satz meist: „Ich hoffe inständig, dass niemand eine Rückfrage stellt, weil ich innerlich längst beim nächsten Meeting bin.“


Anders ausgedrückt: „Klarheit ist ein missverstandener Aggregatzustand – meist nur aus der Perspektive dessen, der nicht zuhört.“ Eindeutigkeit und Einverständnis existieren oft nur für denjenigen, der glaubt, klar zu kommunizieren – nicht für die Empfänger/innen.


3. „Wir müssen das jetzt einfach mal machen.“

Ah, das universelle Notpflaster. Wenn eine Führungskraft das sagt, dann meist, weil sie nicht weiß, wie – aber sich nicht traut, das zuzugeben. Die Botschaft lautet: „Ich habe keine Lösung, aber dafür Deadline-Druck.“

Paradox ist: Je öfter man „einfach mal“ etwas macht, desto komplexer wird das Problem, das man „einfach“ lösen wollte.


4. „Dafür habe ich gerade keine Kapazität.“

Ein hochmoderner Satz, glänzend wie ein Manager-Newsletter. Was er aber wirklich bedeutet: „Ich bin emotional überfordert, aber sag du’s bitte nicht zuerst.“ - Auf der psychologischen Bühne steht dieser Satz als eleganter Vorhang vor einem chaotischen Backstage-Bereich. Der Sprecher schützt nicht seine Zeit – sondern seine Fassade.


5. „Ich vertraue euch da voll.“

Einer der gefährlichsten Sätze. Denn ausgesprochen wird er meistens exakt in dem  Moment, in dem das Vertrauen bereits bröckelt. Es ist der verbale Versuch, Kontrolle zu behalten, indem man vorgibt, keine zu brauchen.


„Ich vertraue euch“ heißt in Führungssprache oft: „Bitte enttäuscht mich nicht schon wieder.“ - Vertrauen funktioniert nicht, wenn man es ausspricht wie eine Drohung.


Warum diese Sätze so entlarvend sind

Weil sie etwas tun, das Führungskräfte selten bewusst tun: Sie offenbaren den emotionalen Unterbau des Handelns. Es sind Miniaturversionen innerer Konflikte:

  • Nähe vs. Kontrolle

  • Klarheit vs. Unsicherheit

  • Verantwortung vs. Überforderung


Und vor allem: Sie zeigen die Angst, nicht als Führungskraft, sondern als Mensch sichtbar zu werden.


Was wäre die Alternative?

Keine bessere Rhetorik. Nicht geschicktere Verpackung. Sondern der Mut, Sätze zu sagen wie:


  • „Ich bin unsicher, wie wir das angehen.“

  • „Ich brauche einen Moment, um das zu sortieren.“

  • „Ich möchte eure Perspektiven, bevor ich entscheide.“


Diese Sätze sind unglamourös, aber ehrlich. Und genau deshalb führen sie.


Fazit: Die Sätze sind nicht das Problem – wir sind es

Unsere Sprache verrät uns nicht, sie erlöst uns. Denn sie zeigt uns, wo wir uns selbst im Weg stehen. Und vielleicht ist das die eigentliche Führungsaufgabe: Nicht Menschen zu leiten, sondern die eigenen Signatur-Sätze zu verstehen – die kleinen, gut gemeinten Botschaften, die unbeabsichtigt durchs Mikrofon rutschen und uns verraten.

Wenn du also das nächste Mal „Ich habe nur eine Frage“ sagst, halte kurz inne. Vielleicht möchtest du eigentlich eine Antwort geben. Oder dir selbst eine.

 
 
 

Kommentare


bottom of page