Führungskräfte sollen authentisch sein. Das würden sicherlich die meisten unterschreiben. Was aber meint das genau? Bemüht man die Sprachforschung, bezeichnete authéntēs in ältester griechischer Zeit den Mörder, genauer den Selbst- oder Verwandtenmörder! Erst später wandelte sich die Bedeutung: authentikós war jemand, der selbst eine Tat vollbringt. Und heute? In unserer Zeit würden wir authentisch wohl mit "echt" und "glaubwürdig" umschreiben.
Authentischen Leadern werden gerne die Abzeichen moderner ritterlicher Business-Tugenden angeheftet: Sie sind selbstreflektiert, ehrlich, konsistent in ihren Werten und Prinzipien. Sie sind empathisch, übernehmen Verantwortung und haben Mut. Vertrauen und Engagement des Teams sind der Lohn für dieses vorbildliche Verhalten.
Wow!
Aber reicht es aus, authentisch zu sein, um all diese vorzüglichen Eigenschaften hervorzubringen? Steckt nicht hinter einer authentischen Selbstgewissheit auch eine Portion Subjektivität? Was für den einen authentisch ist, ist für den anderen unangemessen. Wer authentisch ist, führt nicht automatisch effektiv.
Authentizität ersetzt nicht die Professionalität. Wer seine Authentizität zu sehr in den Mittelpunkt seines Handelns rückt, ist eventuell zu wenig flexibel, wenn unerwartete Situationen eintreten. Manipulative Führungskräfte können auch Authentizität geschickt vorspielen, um ihre Interessen durchzusetzen. Man sollte also aufpassen, dass der Begriff "authentisch" nicht zu einer ambivalenten Leerformel im Leadership-Kontext verkommt. Dabei ist der Ansatz ja nicht verkehrt. Aber um zu einer erfolgreichen, motivierenden und geschätzten Leader-Persönlichkeit zu werden, gehört mehr dazu, als "echt" und "glaubhaft" zu sein!
Authentische Führung ist nicht gleich gute Führung, sondern ein Element daraus. Authentische Leadership überzeugt erst dann, wenn eine innere Richtschnur zur Orientierung vorhanden ist. Basis dafür sind die eigenen Werte, die sich am Wohl des Mitarbeiters und des Unternehmens orientieren. Authentische Leader brauchen eine Ethik, die ihren Führungsstil bestimmt. Führungsethik ist größer als die eigene Position im Unternehmen, die Karriere oder die Macht- und Einflussmöglichkeiten. Es reicht auch nicht aus, dass einer allein seinen Wertekosmos auslebt (und gegebenenfalls auf Unverständnis stößt): Ethik im Unternehmen ist Gemeinschaftsarbeit. Natürlich kommt Führungskräften dabei eine besondere Bedeutung und Verantwortung zu: Sie sind Vorbilder und verkörpern die erwünschten Ziele und Wertvorstellungen. Leader haben gewichtigen Einfluss, denn diese Werte müssen auch in strategische Entscheidungen einfließen, um wirksam zu sein.
Wertebasierte Führung ist auf Langfristigkeit angelegt, schafft Identität und Vertrauen. Authentische Leadership fördert ein solches Vertrauen, sie ist ein wahrer Beziehungs-Kitt für Teams. Gute Führungskräfte ermutigen ihre Mitarbeiter/innen zur Selbstentwicklung. Sie sprechen dabei offen über ihre eigenen Erfahrungen, Erfolge und Misserfolge. Wenn sich Mitarbeiter geschätzt und gehört fühlen, haben die Unternehmenswerte Wurzeln geschlagen. Wenn authentische Leader dazu ihren Beitrag leisten, gehören sie zu den Guten.
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